Dienstag, 1. Dezember 2015

Mitten in Pullach!?

 Ein Gastbeitrag von Anke Schlee
(Mitglied im Helferkreis Flüchtlinge & Integration Pullach)

Seit Mai leben Familien mitten in Pullach, die von wahrlich weit her kommen: aus Afghanistan und Nigeria zum Beispiel. Nicht nur die Männer, die in der Turnhalle der Mittelschule lebten, waren zeitweise Pullacher, es gibt auch dezentral untergebrachte Flüchtlinge, wie es offiziell heißt. Dezentral mitten in unserer Gemeinde. Zum Beispiel leben in einem vom Landratsamt gemieteten Haus aus den 50er Jahren in drei Wohnungen 32 Menschen, davon 18 Kinder.

Formal ist das Landratsamt zuständig, um alles weniger Formale kümmert sich eine Koordinatorin aus dem Helferkreis Flüchtlinge & Integration Pullach. "Mülltrennung war ein großes Problem für Afghaner und Nigerianerinnen - völlig unverständlich für sie. Inzwischen ist das mit einem 1-Euro-Job organisiert und funktioniert", erläutert die engagierte ältere Dame eine ihrer Aufgaben. "Letzten Samstag waren beide Toilettenspülungen in einer Wohnung gleichzeitig ausgefallen, eine kleine Katastrophe bei 15 Personen! Gut, dass es entsprechende Telefonnummern für alle gibt, auch meine", berichtet sie weiter.

Ein Vater, der mit zwei seiner Kinder im Haus hier in Pullach lebt, hat seine Frau und die anderen drei Kinder auf der Flucht verloren. Alle waren in Afghanistan gemeinsam aufgebrochen und dann zwischen der Türkei und Griechenland getrennt worden. Mit seinen beiden Kindern gelangte er zu Fuß von Griechenland zunächst nach München.

Die Bilder dazu kennen wir alle aus den Medien. Und nun sind sie hier bei uns mitten in Pullach, die Menschen, die im Meer schwammen, die zu Fuß von Griechenland nach Deutschland gingen, die sich durch die Erstaufnahmeeinrichtung drängten.

Die Mutter schlug sich mit den anderen drei Kindern auch nach Deutschland durch, sie sind am Leben und zusammen. Beim Landratsamt läuft jetzt die Familienzusammenführung, denn Mutter und Kinder sind in Baden-Württemberg. Kein leichtes Unterfangen, aber das ist eine andere Geschichte.

Auch auf der Flucht verloren gegangene Familienmitglieder beim Flüchtlingsrat zu melden, gehört zur Betreuung der Flüchtlinge. Vom Helferkreis gibt es rund ein Dutzend Ehrenamtlicher, die sich um die Bewohner des Hauses kümmern. Ob ein Arztbesuch ansteht, ob es um Schul- und Kindergartenbesuche oder um einen Küchenplan geht, all das ist den neu-Pullachern so fremd. Die Mitglieder des Helferkreises organisieren auch tägliche Hausaufgabenbetreuung für die Schulkinder im katholischen Pfarrheim, Deutsch-Unterricht in verschiedenen Gruppen, je nach Vorkenntnissen und Lerntempo, Ausflüge und vieles mehr.

Für drei der vier Nigerianerinnen, die ebenfalls im Haus wohnen, brauchte es besondere Unterstützung, denn sie haben in den vergangenen Monaten Babys bekommen. Auch das ist nicht so einfach in einem Land mit einer vollkommen anderen Kultur und fremden Lebensumständen.

Die ehrenamtlichen Betreuer unterstützen ihre Schützlinge in allen Lebenslagen. Sie sorgen dafür, dass diese Menschen mitten in Pullach leben können. Angekommen sind sie mitten im Ort, inmitten unserer Gesellschaft sind sie deshalb noch nicht. Das wird dauern, und dafür engagieren sich alle.

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