Dienstag, 22. September 2015

Ein Stoßseufzer

Überall wird jetzt über die Beschleunigung von Asyl-Anerkennungsverfahren diskutiert: Die Guten ins Kröpfchen ...  Dabei gibt es zur Zeit einige andere Verfahren, die beschleunigt und vereinfacht zu werden verdienen - und kaum jemand spricht darüber.

Alle Welt staunt über die Willkommenskultur hierzulande, über das breite gesellschaftliche Engagement. Dieses Engagement erschöpft sich nicht in der Erstversorung ankommender Flüchtlinge am Ankunftsbahnhof. Es geht inzwischen weit darüber hinaus - und da wird es wirklich erschöpfend.
Wer jemals versucht hat, einem Flüchtling eine bezahlte Arbeit zu vermitteln, der weiß ein Lied davon zu singen: Alle erforderlichen Papiere und Stempel sind da, die Berechtigung zur Annahme bezahlter Arbeit, ein Arbeitsplatz samt Arbeitsvertrag unter Berücksichtigung des gesetzlichen Mindestlohns, der Antrag auf Vornahme der Nachrangigkeitsprüfung durch das BfA (die Prüfung, ob der Arbeitsplatz durch Deutsche bzw. EU-Bürger besetzt werden kann) - und trotzdem dauert es noch Ewigkeiten, bis der Flüchtling die Arbeit wirklich antreten kann. X verschiedene Stellen sind hier beteiligt - für die Zuteilung der Steuernummer, die Prüfung, ob die vergünstigte Fahrkarte weiterhin in Anspruch genommen werden kann, den Nachweis einer Krankenversicherung ... Und wie viel wird vom Arbeitslohn einbehalten? Auch die bestwilligen Arbeitgeber warten und warten und raufen sich die Haare. Vom betroffenen Flüchtling ganz zu schweigen.
All diese Hürden machen letztlich Schwarzarbeit attraktiv. So wichtig die Formulare sein mögen - ohne Deutschkenntnisse versteht sie keiner. So kompetent die einzelnen Behörden einschließlich der Beratungsstellen auch sein mögen - als Helfer läuft man sich auf dem Weg von A nach B nach C nach A nach D nach B buchstäblich die Hacken ab. Es ist ein Full-Time-Job, auch nur einen einzigen Flüchtling in Lohn und Brot zu bringen! Ihn von staatlicher Fürsorge tendenziell unabhängig zu machen - das wäre doch im Grunde erstrebenswert.
Oder hat jemand schon einmal versucht, einen Flüchtling privat unterzubringen - womöglich in München (bei Residenzpflicht im Landkreis)?? Angeblich geht das alles, irgendwie und irgendwann, aber wieviel Zeit und Nerven kostet das! Auch die motiviertesten Helfer stoßen da an ihre Grenzen, und schon wird allenthalben über 'das Ende der Euphorie' spekuliert.
Aber woher kommt diese  Erschöpfung? Es kann doch nicht so schwer sein, Informationsblätter herauszugeben bzw. ins Internet zu stellen, was alles an Formularen erforderlich ist, wo man sie bekommt und wo sie abzugeben sind! Ganz zu schweigen von einer Verfahrensbeschleunigung bei Arbeits- und Wohnungssuche - wenn es denn politisch gewollt wäre!
Das derzeitige ehrenamtliche Engagement ist eine ungeheure zivilgesellschaftliche Ressource, die aktuell verschleudert zu werden droht, zermahlen in den Mühlen einer Bürokratie, die nicht auf Bürgerbeteiligung ausgerichtet ist. Wenn der Elan erlahmt, dann ist nicht 'die Flüchtlingskrise' schuld, sondern ein Verwaltungsaufwand, der wirklich hinterfragt zu werden verdient. Und der statt Verfahrensgerechtigkeit irgendwann nur noch Frustration, Desintegration und Resignation produziert.

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